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Forschungsprojekt: Gewalt gegen Männer in Partnerschaften

Das Forschungsprojekt, das sich intensiv mit einem in Deutschland bisher wenig erforschten Thema auseinandersetzte, lief über einen Zeitraum von anderthalb Jahren und wurde durch die WEISSER RING Stiftung gefördert. Das Projektteam bestand aus dem Projektleiter Dr. Jonas Schemmel, den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen Laura-Romina Goede und Philipp Müller sowie den studentischen Hilfskräften Enrica Wegener und Ava Stähler.
Das Hauptziel des Projekts bestand, darin die Prävalenz in Deutschland zu bestimmen und ein tieferes Verständnis für die Beziehungsdynamiken und die Auswirkungen von Gewalt gegen Männer in Partnerschaften zu gewinnen. In der Studie wurden verschiedene Forschungsmethoden miteinander kombiniert. In einer Onlinebefragung, die eine deutschlandweite Repräsentativität anstrebte, wurden 12.000 Männer im Alter von 18-69 Jahren kontaktiert, von denen 1.209 an der Befragung teilnahmen. Hierbei wurden Prävalenzdaten zu physischer, psychischer, sexueller und digitaler Gewalt sowie kontrollierendem Verhalten innerhalb einer Partnerschaft erhoben. Zudem wurden auch Schutz- und Risikofaktoren, Folgen und Erfahrungen mit dem Hilfesystem und der Polizei abgefragt. Zusätzlich wurden 16 Interviews mit betroffenen Männern geführt, um die erlebte Gewalt mit ihren dahinterliegenden Beziehungsdynamiken besser verstehen zu können. Ein weiterer Fokus lag auf den Erfahrungen mit Hilfs- und Beratungsangeboten sowie dem gesellschaftlichen Umgang mit von Partnerschaftsgewalt betroffenen Männern.

Die Ergebnisse wurden bereits Expert*innen verschiedener Disziplinen auf einem Fachtag präsentiert und mit ihnen in Workshops diskutiert. Aus den Ergebnissen des Fachtags und aus den empirischen Befunden wurden abschließend Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit liefern einen bedeutenden Beitrag zur wissenschaftlichen Literatur und ermöglichen eine differenzierte Betrachtung von partnerschaftlicher Gewalt gegenüber Männern. Es konnten unter anderem die folgenden zentralen Ergebnisse herausgearbeitet werden:

Kein typisches Opfer: Da keine eindeutigen Zusammenhänge mit Bildungsstand, Verdienst und weiteren soziodemographischen Daten der gewaltbetroffenen Männer nachgewiesen wurden, kann konstatiert werden, dass es kein typisches männliches Opfer von Partnerschaftsgewalt gibt.

• Prävalenzen: Die Studie ergab, dass 54 % der befragten Männer in ihrem Leben eine der abgefragten Gewaltformen in einer Partnerschaft erlebt haben. Die Lebenszeitprävalenz lag im Bereich der psychischen Gewalt bei 39,8 %. Mit 38,6 % stellte das Kontrollverhalten die zweithäufigste Gewaltform dar. Mit 29,8 % erlebte fast jeder dritte Befragte körperliche Gewalt innerhalb einer Partnerschaft und 5,4 % gaben an, sexuelle Gewalt erfahren zu haben. Digitale Gewalt wurde von 6,5 % der Befragten berichtet.

• Folgen: Zwei Drittel der Befragten leiden unter Folgen der partnerschaftlichen Gewalt. Dabei berichten etwa 12 % von körperlichen Folgen. Neben den möglicherweise sichtbaren physischen Folgen ist insbesondere die Beeinträchtigung des psychischen Wohlergehens zu bedenken, die bis hin zu suizidalen Tendenzen reichen kann. 66 % der betroffenen Männer fühlten sich aufgrund ihrer Erfahrung mit Partnerschaftsgewalt psychisch belastet. Im Einzelnen berichteten jeweils mehr als 40 % von Stress, Anspannung und Gefühlen von Machtlosigkeit und Erniedrigung. 18,7 % leiden an Schlafstörungen oder Albträumen. Auch starke Angstgefühle wurden von 14,4 % als Folge der Erlebnisse empfunden. Einen starken Wunsch nach der Bestrafung des*der Täter*in verspürte mit 10,3 % etwa jeder zehnte Befragte. Dieser Wert ist im Vergleich zu anderen Delikten eher niedrig, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Betroffenen ihre*n Partner*in trotz der erlebten Gewalt keinen rechtlichen Sanktionen aussetzen möchten.

• Komplexität von Partnerschaftsgewalt: Die Ergebnisse zeigen, dass die größte Gruppe der Befragten sowohl Täter als auch Opfer war und es somit in vielen Fällen schwierig ist, eine klare Täter-Opfer-Konstellation auszumachen.

• Geringe Inanspruchnahme von Hilfsangeboten: Die quantitative Studie zeigt, dass nur ein sehr geringer Teil (7,9 %) der Befragten Kontakt zur Polizei oder anderen Anlaufstellen aufgenommen hat und grundsätzlich ein großer Bedarf an spezialisierten Beratungsangeboten besteht. Als Gründe dafür, sich nicht an die Polizei oder Beratungsstellen gewandt zu haben, gaben 59 % der Befragten an, die Gewalt als „nicht so schlimm“ empfunden zu haben. Ungefähr 30 % sagten, sie
hätten die Dinge selbst geregelt. 13,8 % (Polizei) bzw. 8,1 % (Beratung) berichteten, sie hätten die Partnerschaft oder die Familie nicht gefährden wollen.

• Änderungen im Umgang mit Partnerschaftsgewalt und Handlungsempfehlungen: Die interviewten Betroffenen betonen die Notwendigkeit eines größeren gesellschaftlichen Bewusstseins für die Möglichkeit, dass auch Männer Opfer von Gewalt in Beziehungen sein können. Sie plädieren für mehr sensibilisierte Akteure und Hilfsangebote, die sich explizit an Männer richten. Hinzu kommt der Wunsch nach einem breiteren Verständnis von Gewalt, das über strafrechtlich relevantes Verhalten hinaus geht, um rechtzeitig tätig werden zu können. Diese Aspekte spiegeln sich gemeinsam mit weiteren Anliegen in den acht Handlungsempfehlungen wider, die im Forschungsbericht nachgelesen werden können.
Die detaillierten Ergebnisse, Ausführungen zu den Handlungsempfehlungen, weitere Informationen zur Studie sowie dem methodischen Vorgehen können im Forschungsbericht „Gewalt gegen Männer in Partnerschaften - eine empirische Untersuchung zur Situation in Deutschland“ nachgelesen werden, der ab sofort unter https://kfn.de/forschungsprojekte/gewalt-gegen-maenner kostenlos zur Verfügung steht.